Mit ihrer Entscheidung vom 12. Dezember 2024 hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) etwas überraschend, aber doch nicht ganz unerwartet, den Leitzins um 50 Basispunkte auf 0,5 % gesenkt. Dieser Schritt kommt inmitten eines Umfelds sinkender Inflation, schwacher Konjunktur und einem starken Schweizer Franken. Was bedeutet das für die Schweizer Wirtschaft, die internationalen Finanzmärkte sowie den Immobilienmarkt?
Die Ausgangslage: Warum gleich ein grosser Zinsschritt?
Die Schweizer Wirtschaft steht derzeit vor mehreren Herausforderungen: einer Abschwächung des Wirtschaftswachstums und einem rekordstarken Franken. Diese Faktoren, in Kombination mit der deutlich tieferen Inflation haben die SNB dazu veranlasst, ihre Geldpolitik zu lockern, um Preisstabilität und wirtschaftliches Wachstum zu unterstützen.
Niedrige Inflation als Haupttreiber
Die Inflationsrate in der Schweiz betrug im November 2024 nur 0,7 %. Damit liegt die Teuerung unter den Werten anderer grossen Volkswirtschaften und klar innerhalb des Zielkorridors der SNB, der auf mittelfristige Preisstabilität abzielt. Auch im gesamten letzten Quartal zeigte sich eine kontinuierliche Abschwächung der Inflation: Im Oktober lag sie bei 0,6 %, im September bei 0,8 %.
Dieser rückläufige Trend ist vor allem auf sinkende Preise für Energieträger und Nahrungsmittel zurückzuführen, während Dienstleistungen auf dem heimischen Markt weiterhin leicht teurer wurden. Die neue bedingte Inflationsprognose der SNB deutet darauf hin, dass dieser Trend auch 2025 anhalten wird.
Schwächelndes Wirtschaftswachstum
Neben der niedrigen Inflation sieht sich die SNB mit einer verlangsamten wirtschaftlichen Dynamik konfrontiert. Für 2024 prognostiziert die Nationalbank ein BIP-Wachstum von lediglich 1 %, während für 2025 ein moderates Wachstum von 1 bis 1,5 % erwartet wird. Besonders herausfordernd sind die schwachen Konjunkturaussichten in wichtigen Exportmärkten wie Deutschland, China und den USA, die sich dämpfend auf die Schweizer Exportwirtschaft auswirken.
In der Schweiz selbst zeigt sich die Abkühlung der Wirtschaft durch eine leicht gestiegene Arbeitslosenquote und eine abnehmende Anzahl offener Stellen. Diese Indikatoren spiegeln eine reduzierte Nachfrage sowohl im Inland als auch auf internationaler Ebene wider.
Der starke Franken als Belastungsfaktor
Ein weiterer zentraler Aspekt der aktuellen wirtschaftlichen Situation ist der stark aufgewertete Schweizer Franken. Kurz vor der Zinssenkung erreichte der Franken ein neues Allzeithoch gegenüber dem Euro. Diese Entwicklung wird primär durch die Zinssenkungen in der Eurozone und den USA befeuert, welche den Franken im Vergleich zu anderen Währungen attraktiver machen. Während ein starker Franken zwar dazu beiträgt, importierte Inflation zu dämpfen, stellt er gleichzeitig eine Belastung für die Exportwirtschaft dar, da Schweizer Produkte für ausländische Käufer teurer werden.
Die SNB könnte künftig gezielte Devisenmarktinterventionen in Erwägung ziehen, um den Aufwertungsdruck auf den Franken zu mildern. Diese Strategie wurde in der Vergangenheit widerholt angewandt, bleibt jedoch eine Massnahme mit begrenztem Spielraum.
Die Auswirkungen des Zinsentscheids
Hypothekarmarkt in Bewegung
Der Hypothekarmarkt hat unmittelbar auf die Zinssenkung reagiert. Bereits Anfang Dezember 2024 waren die Zinssätze für 10-jährige Festhypotheken auf unter 1,2 % gefallen, während 5-jährige Festhypotheken teilweise zu weniger als 1,1 % angeboten wurden. SARON-basierte Hypotheken lagen im Durchschnitt bei etwa 1,65 %.
Diese Entwicklung macht Immobilienfinanzierungen für Haushalte günstiger und könnte zu einer anhaltend hohen Nachfrage auf dem Immobilienmarkt beitragen.
Internationale Reaktionen
Die Zinssenkung der SNB wird auch international aufmerksam verfolgt, da sie in einem globalen Kontext von geldpolitischen Lockerungen stattfindet. Die Eurozone und die USA haben in den letzten Monaten ebenfalls die Zinsen gesenkt, was den Druck auf die SNB erhöhte, ebenfalls nachzuziehen, da eine geringere Zinsdifferenz den Aufwertungsdruck auf den Franken reduziert.
Ein Blick nach vorn: Was erwartet uns 2025?
Weitere Zinssenkungen in Sicht?
Analysten erwarten, dass die SNB 2025 den Leitzins weiter senken könnte. Szenarien von 0,25 % oder sogar 0 % erscheinen zunehmend wahrscheinlich, insbesondere wenn die globale Wirtschaft weiterhin schwächelt und der Inflationsdruck niedrig bleibt. Einige Experten halten auch eine Rückkehr zu Negativzinsen für möglich, falls sich die Bedingungen verschärfen. Das ist insofern bemerkenswert, als Negativzinsen noch vor einigen Monaten weitgehend ausgeschlossen wurde.
Herausforderungen für die neue SNB-Führung
Der Zinsentscheid vom 12. Dezember 2024 markiert zugleich den Beginn einer neuen Ära bei der SNB. Unter der Führung von Martin Schlegel, der im September die Nachfolge von Thomas Jordan antrat, zeigt die SNB, dass sie bereit ist, mutige und flexible Entscheidungen zu treffen. Beobachter gehen davon aus, dass Schlegel den bewährten datengetriebenen Ansatz der SNB fortführen wird.
Fazit: Eine komplexe Balance
Die Zinssenkung der SNB ist ein klares Signal, dass die Nationalbank bereit ist, auf die gegenwärtigen Herausforderungen entschlossen zu reagieren. Indem sie den Fokus auf Preisstabilität, Konjunkturstützung und Währungsstabilität legt, navigiert sie die Schweizer Wirtschaft durch ein komplexes und dynamisches Umfeld. Der nächste Zinsentscheid am 20. März 2025 wird zeigen, wie die SNB ihre Strategie weiterentwickelt, um die wirtschaftlichen und finanziellen Rahmenbedingungen zu stabilisieren.